RHN 68/2018 | Event
Organiser: Gesellschaft für Agrargeschichte (GfA), Germany
22 June 2018, Historische Sternwarte der Universität Göttingen, Geismar Landstr. 11, 37083 Göttingen, Germany
Einladung zur
Sommertagung der Gesellschaft für Agrargeschichte
Dorf und Dörflichkeit: Studien zum sozialen Leben im Dorf
Verantwortlich: Prof. Dr. Eva Barlösius (Leibniz Universität Hannover) und Prof. Dr. Claudia Neu (Georg-August Universität Göttingen/Universität Kassel)
Gefördert durch: Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages
Die Tagung möchte den Begriff der Dörflichkeit in die Diskussion bringen, um mit den längst überholten, aber noch immer gebräuchlichen Kennzeichnungen des sozialen Lebens im Dorf zu brechen. Diese stammen mehrheitlich – zumindest vom Duktus her – aus dem Ende des 19. Jahrhunderts, weshalb sich in ihnen der Übergang von der Agrar- zur Industriegesellschaft reflektiert. Typisch für diese Kennzeichnungen ist, dass sie dem sozialen Leben im Dorf solche Merkmale zuweisen, die mit der Vergangenheit assoziiert sind. Abgesehen davon, dass sie sich historisch weitgehend als falsch erwiesen haben, eignen sich diese Charakterisierungen nicht im Geringsten dazu, zu verstehen, ob und wodurch sich das soziale Leben im Dorf in der Wissensgesellschaft auszeichnet. Die Jahrestagung 2018 will Antworten auf diese Fragen geben und schlägt dazu vor, mit dem Begriff der Dörflichkeit zu arbeiten.
Mit dem Begriff Dörflichkeit wollen wir die Möglichkeit eröffnen, systematisch zu erfassen und zu beschreiben, ob und durch welche spezifische Sozialität das Leben im Dorf charakterisiert ist, dabei geht es uns vor allem um die Gestaltung und Qualität der sozialen Beziehungen (Barlösius/Spohr 2017). Dass trotz Globalisierung und Digitalisierung des Sozialen Dörflichkeit eine eigene soziale Wirkungsmacht besitzt, zeigt sich beispielsweise in den Prozessen der Verdörflichung infrastruktureller Einrichtungen, der Bedeutung von sozialen Beziehungen mit Face-to-Face-Charakter und den Formen unmittelbarer sozialer Integration.
Die etablierten bis heute gebräuchlichen Erfassungen und Beschreibungen der sozialen Beziehungen im Dorf greifen noch immer auf Charakterisierungen zurück, deren Grundtypus vor 130 Jahren entwickelt wurde (Tönnies 1887). Er besteht darin, wertende begriffliche Oppositionspaare zu verwenden und für das Dorf stets jene Eigenschaften als typisch auszuweisen, die als überholt und der Zukunft abgewandt gelten: Gemeinschaft, Tradition, öffentliche Privatheit, Zusammenhalt, Intoleranz etc. Der Stadt werden dagegen die gegenteiligen Merkmale gutgeschrieben und Zukunftsfähigkeit attestiert. Dass diese Differenzbestimmungen sowohl für die empirischen Forschungszugänge wie auch für die theoretischen Rahmungen nicht mehr angemessen sind, die soziale Wirklichkeit (Berger/Luckmann) des dörflichen Lebens zu analysieren, drückt sich besonders klar darin aus, dass in den letzten Jahrzehnten zunehmend mit Übergängen, Hybriden und Zwischenbereichen gearbeitet wird. Diese Begriffe suggerieren, dass sich beinahe alle Differenzen aufgelöst haben bzw. unerheblich geworden sind.
Nicht nur die oben genannten empirischen Beispiele sprechen dagegen, dass sie dies der Fall ist, auch die Tatsache, dass das Dorf in der Literatur (z.B. Juli Zeh „Unterleuten“, Hans de Stoop „Das ist mein Hof“) sowie in den Medien zunehmend ein Ort der Imagination des Anderen ist, lässt daran Zweifel aufkommen. Allerdings sollte auch einer weiteren Renaissance der Romantisierung der Dörflichkeit vorgebeugt werden, denn so sehr man sich über die künstlerische und mediale Aufmerksamkeit freuen mag, ob sie zu einer angemesseneren Erfassung und Beschreibung des sozialen Lebens im Dorf beitragen wird, ist fraglich. Die Tagung soll dazu beitragen, genauer zu bestimmen, was Dörflichkeit auszeichnet.
Programm
10.30 Ankommen mit Kaffee
11.00 Begrüßung, Einführung ins Thema der Tagung durch Eva Barlösius und Claudia Neu
11.15 Werner Nell/Marc Weiland (Universität Halle-Wittenberg): Imaginäre Dörfer: Zur Wiederkehr des Dörflichen in Literatur, Film und Lebenswelt
12.00 Gisbert Strotdress (Wochenblatt für Landwirtschaft & Landleben/Münster): Mediale Dorf-Bilder der Gegenwart zwischen Landlust und Randfrust
12.45 Imbiss
14.00 Eva Barlösius (Leibniz Universität Hannover): Dörflichkeit: soziale Beziehungen, Verpflichtungen und Ansprüche besonderer Art?
14.45 Claudia Neu (Universität Göttingen/Kassel): Akteure der neuen Ländlichkeit und Dörflichkeit
15.30 Abschlussdiskussion: Dörflichkeit – ein lohnender Begriff?
16.00 Kaffeepause
16.30 Mitgliederversammlung der Gesellschaft für Agrargeschichte
17.30 Führung durch die historische Sternwarte
Anmeldungen und Zimmerreservierungen bitte bis zum 10. Juni 2018 an: stefanie.bartols@uni-goettingen.de
Website des Tagungsorts: Historische Sternwarte der Universität Göttingen
Gesellschaft für Agrargeschichte e.V., Eschborner Landstr. 122, 60489 Frankfurt am Main
Website: http://www.agrargeschichte.de
Vorsitzender:
Prof. Dr. Stefan Brakensiek
Historisches Institut
Universität Duisburg-Essen
45117 Essen
stefan.brakensiek@uni-due.de
Source: http://www.agrargeschichte.de