RHN 22/2021 | Call
Organisers: Archiv der Hauptstadt Prag in Zusammenarbeit mit dem Institut für Geschichte der Akademie der Wissenschaften der Tschechischen Republik, der Fakultät für Humanistische Studien der Karls-Universität, der Philosophischen Fakultät der J. E. Purkyně-Universität in Ústí nad Labem und dem Institut für Geschichte und Archivwissenschaft der Pädagogischen Universität in Krakau
5–6 October 2021, Prague, Czech Republic
Deadline for abstract submissions: 15 April 2021
Call for Papers:
40. internationale Tagung des Archivs der Hauptstadt Prag und Partner
Tiere in der Stadt
Bei dem Blick auf die Veduten der von Mauern umgebenen mittelalterlichen oder neuzeitlichen Städte, aber auch auf die befestigten Städte des 19. Jahrhunderts oder die an Klippen und Bergen erinnernden Silhouetten der modernen, aus Ziegeln, Beton, Stahl und Glas erbauten Städte drängt sich geradezu die Vorstellung von Ortschaften auf, die sich von der Natur getrennt haben. Die pflanzliche Komponente der Natur fand mit der Zeit zumindest teilweise die Gnade der Erbauer und Bewohner der Städte, insbesondere in Form von Zierblumen in Blumenkästen an Fenstern, von Gärten in locker bebauten Villenvierteln oder in Form von Parks und Alleen. Was aber ist mit den Tieren?
Die Historiker wissen natürlich, dass eine Stadt, und hier sprechen wir von den großen Metropolen, nicht von kleinen, funktional halb-ländlichen Gemeinden, zwischen dem Mittelalter und mindestens der Mitte des 20. Jahrhunderts ohne Tiere überhaupt nicht funktionieren konnte. Betrachten wir also die städtische Existenz von Tieren unter funktionalen Gesichtspunkten: Seit dem Mittelalter wurden Tiere hauptsächlich zum Ziehen, Fahren und Tragen von Lasten benötigt, vielleicht auch für den Antrieb von Mühlen, die weit vom Wasser entfernt waren. Das bedeutet, dass wir in den Städten von Anfang an bis zum endgültigen Sieg der Motoren in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts auf eine eher größere Anzahl von Pferden, aber auch Eseln und Maultieren treffen. Diese lebten zum einen abgesondert in einzelnen Häusern oder Wirtschaftsarealen, zum anderen in den großen Stallungen der Paläste, Klöster und später auch Kasernen. Zugleich darf die tausendköpfige Herde der in den Prager ebenso wie den Wiener oder Pariser Droschken und Transportwagen eingespannten Pferde nicht vergessen werden.
Mindestens bis zum Ende der frühen Neuzeit finden wir in den Städten ebenfalls eine beträchtliche Anzahl von Kühen, Schafen, Ziegen und Schweinen ebenso wie eine Menge an Geflügel. Ein großer Teil der vierbeinigen Begleiter der menschlichen Existenz wurde von den Gemeindehirten täglich durch die Stadttore auf die Weide getrieben. Und umgekehrt wurden in regelmäßigen Abständen Herden hauptsächlich von Rindvieh, die zum Schlachten gekauft wurden, in die Stadt gebracht. In Prag galt dies bis zum Ende des 19. Jahrhunderts. Alle erwähnten Tiere waren für den Verzehr durch die Stadtbevölkerung bestimmt bzw. für die Verarbeitung von Häuten, Knochen, Hufen usw. Der Vollständigkeit halber sollten wir auch die Fische erwähnen, die etwa im Prager Fall in der Moldau gefangen und insbesondere in bereits gesalzenem Zustand zum sog. „undrlak“ auf dem Viehmarkt, dem heutigen Karlsplatz, gebracht wurden.
Wir sollten aber auch die Hunde, diese treuen Begleiter des Menschen, erwähnen. Diese treffen wir in der Stadt über die Jahrhunderte in verschiedenen Funktionen an: In früheren Zeiten insbesondere als traditionelle Hüter der Wohnstätte bzw. als Leibwächter ihrer Herren, in der Moderne dann jedoch immer häufiger als Haustiere, „Prestigeobjekte“ und Begleiter einsamer Menschen. Einige Rassen wurden lange Zeit auch als Zugkräfte eingesetzt – so etwa klassischerweise beim Vertrieb von Fleischereierzeugnissen. Und vergessen wir nicht die streunenden Hunde, die noch in der frühen Neuzeit bisweilen in großen Rudeln die Konkurrenz im Überlebenskampf terrorisierten und Menschen vom äußersten Rand der Gesellschaft, die in Müll- und Misthaufen hausten, massakrierten.
Angesichts der Tatsache, dass die Lebensbedingungen von Tieren in Städten aus heutiger Sicht nicht gerade ideal waren, ist es notwendig, sich auch ihre konfliktreichen Begegnungen mit dem Menschen, die Veterinärkrankheiten sowie die vielen Bedrohungen in Erinnerung zu rufen, die die tierische Komponente zwangsläufig für den städtischen Alltag mit sich brachte. Als größte tierische Bedrohung in der Stadt müssen wohl die Nagetiere betrachtet werden, und zwar sowohl als Vorratsvernichter als auch als Träger und Überträger drastischer Krankheiten. Hier könnte die Linie zu den Insekten weitergeführt werden.
Die Realität der Existenz von Tieren in den Städten spiegelte sich aber auch in Bau- und Stadtplanungskonzepten wider, in denen von Anfang an mit ihnen gerechnet wurde. Wie wirkte sich die Anwesenheit von Tieren auf das Erscheinungsbild der Stadthäuser, Stadtviertel und des urbanen Ganzen aus? Fanden Tiere darin auch als visuelle Symbole Widerhall?
Ein spezielles Kapitel wäre dann die gezielte Etablierung rein nichtstädtischer – exotischer – Tiere im städtischen Milieu. Erinnert seien in diesem Zusammenhang Berichte über die Anwesenheit von Elefanten, Kamelen oder Nashörnern in europäischen Städten, die als Geschenke für die Herrscher oder als Teil der „Ausstattung“ orientalischer Gesandtschaften hierher gebracht wurden. Eine stabilere Existenz hatten verschiedene „Menagerien“, die der Gründung zoologischer Gärten in der Neuzeit vorausgingen.
Wir möchten jedoch unsere diesjährige Konferenz, die es sich zur Aufgabe stellt, die Existenz, die Rolle und die Bedeutung von Tieren in der Stadt zu skizzieren, nicht mit der Beschreibung bemerkenswerter Einzelheiten überfrachten. Vielmehr geht es uns darum, die Möglichkeiten der Erforschung der Existenz von Tieren in den Großstädten auszuloten und damit Impulse zu einer systematischeren Betrachtung dieses Themenkomplexes zu geben.
Das Problem, auf das jeder Forscher stößt, der eine systematischere Beurteilung der Situation anstrebt, ist die auffällige Absenz von Quellen mit Informationen zu diesem Thema. Wir haben daher ein vorrangiges Interesse an Referaten, die Wissen über verschiedene Arten von Quellen vermitteln und deren Potenzial für die Forschung anhand eines konkreten Themas beispielhaft erläutern. Dabei möchten wir die Thematik möglichst aus einer interdisziplinären Perspektive betrachten. Wir verknüpfen damit die Hoffnung, dass unsere Konferenz, ebenso wie die aus ihr hervorgehende Publikation, Anregungen zu einer weitergehenden Erforschung dieses bisher vernachlässigten, dabei so wichtigen Themenkomplexes liefern wird.
Potenzielle Referenten bitten wir, den geplanten Titel ihres Vortrags zusammen mit einem aussagekräftigen Abstract und einer Kurzbiographie bis zum 15. April 2021 an die unten angegebene Kontaktadresse einzureichen. Die Organisatoren behalten sich vor, unter den eingesandten Beiträgen eine Auswahl zu treffen. Die vorgetragenen Referate werden für die Veröffentlichung in der Reihe Documenta Pragensia berücksichtigt. Die Unterbringung der ausländischen Referenten erfolgt auf Kosten der Organisatoren, ein Tagungsbeitrag wird nicht erhoben. Die offiziellen Tagungssprachen sind Tschechisch und Deutsch (ggf. Englisch), eine Simultanübersetzung wird gewährleistet.
Contact details:
Dr. Markéta Růčková
Archiv hl. města Prahy, Archivní 6, CZ-149 00 Praha 4, Tschechische Republik
marketa.ruckova@praha.eu
Website: http://www.ahmp.cz/eng/index.html?mid=60
Source: H-Soz-Kult